Minus 14,5°C zeigt das Außenthermometer meines Autos auf dem Weg zum Freiburger Flugplatz. Wir haben Sonntag, den 14.02.2021. Bei wolkenlos blauem Himmel über Süddeutschland liegt das Land unter einer strahlend weißen Schneedecke. Ich treffe mich mit Kim, um ihn als Fluglehrer und Prüfer bei seinen 2 * 200km Überlandflügen zu begleiten. Diese Flüge sind für die Erlangung der Passagierberechtigung in die Ultraleichtlizenz vorgeschrieben. Um kein Ansteckungsrisiko einzugehen, kommen Kim und ich mit einem frischen (und negativen!) Corona Test zum Flugplatz.
In der Halle wartet unsere Vereins-Schulmaschine, die Breezer D-MDBR mit 100PS Rotax Motor. Wir stecken den Schlauch der nagelneuen elektrischen Motorheizung von unten in den Kühlluftauslass der Motorverkleidung, packen unsere Sachen ins Cockpit, machen schon mal den Innen- und Außencheck und öffnen die Hallentore. Bis wir damit fertig sind, ist der Motor schon gut vorgewärmt, das Öl ist flüssig und die Finger frieren beim Motorraumcheck nicht mehr am Metall an.
Dann noch den Öl- und den Wasserkühler zur Hälfte mit Panzerband abgeklebt, so dass der Motor bei diesen Temperaturen eine Chance hat, im Fluge warm zu werden. Der Motor spring SOFORT an und muss kaum noch warmlaufen! So kann es weitergehen!
Kim hat die Strecke Freiburg – Jesenwang (20km westlich von München) perfekt vorbereitet. Da pro Strecke je eine Zwischenlandung vorschrieben ist, wollen wir auf dem Hinweg in Leutkirch zwischenlanden, und auf dem Rückflug in Biberach/Riss. Gerne hätten wir auch Grasplätze angeflogen, aber die sind bei Schnee keine Option.
Interessant wird der starke Ostwind werden, der mit rund 40-50km/h vorhergesagt ist. Am Boden in Freiburg spüren wir davon kaum etwas und Lenticulariswolken sind auch keine zu sehen. Zwei Freiburger Akaflieger wollen mit dem Duo Discus die Ostwelle des Schwarzwalds austesten. Sie sind noch früher dran als wir und starten um 9:00h mit Öffnung des Flugplatzes.
Wir müssen noch tanken, machen unser Briefing, die Abflugchecks und sind um 09:53h in der Luft. Die Turbulenzen über dem Schwarzwald sind nur halb so schlimm wie erwartet, und der Segelflieger in mir fragt sich, ob die Welle überhaupt geht. (Sie ging, aber nicht wirklich gut.) Am fehlenden Wind kann es nicht liegen, uns wird der Ostwind auf der ganzen Strecke heftig entgegenblasen. Mit jedem Meter, den wir höher kommen wird der Ausblick immer weiter und schöner. Über der bis zum Horizont weiß verschneiten Landschaft erheben sich die Gipfel der Alpen, die Sicht geht bis hinter die Zugspitze. Von Freiburg nach Leutkirch sind es 164 km. Der Fahrtmesser zeigt 160 km/h und bei Windstille bräuchten wir etwas über eine Stunde. Das GPS zeigt jedoch eine Ground Speed (Geschwindigkeit über Grund) von knapp über 110km/h (60 Knoten). Die Windvorhersage ist also zutreffend.
Die Dimension der Kühlerabklebung ist perfekt, die Temperaturen kommen auch im Reiseflug alle in den grünen Bereich. Bei dieser Geschwindigkeit haben wir nun viel Zeit zum Schauen, bis der jeweils nächste Wegpunkt erreicht ist. Gerne wäre ich höher geflogen. Die Welt unten ist dann zwar kleiner, aber man sieht einfach mehr und weiter. Man hat einfach den besseren Überblick, im wahrsten Sinne des Wortes. Leider wird der Gegenwind mit er Höhe immer stärker, so dass wir nicht höher steigen.
Nach fast zwei Stunden (1:53h) sind wir endlich in Leutkirch. Die Bahn ist ein schwarzer Strich in der weißen Landschaft. Nicht zu übersehen. Schnell bezahlen, kurz zur Toilette und weiter nach Jesenwang, ein grandioses Alpenpanorama über dem rechten Flügel begleitet uns ab jetzt.
Vorbei am stillgelegten Fliegerhorst Landsberg/Lech geht es in den Sinkflug nach Jesenwang. Die Landebahn kommt überraschend schnell näher. Sie ist nur 400m lang und nur in Bahnmitte geräumt, so dass uns die Perspektive ein wenig überrascht. Aber alles passt und Kim zaubert wieder mal eine perfekte Landung hin. Wir lassen uns jetzt ein wenig Zeit zum Vespern, schnacken und tanken. Aber wir müssen weiter. Auf dem Rückweg schiebt jetzt der Rückenwind. Vorbei an der langen Startbahn von Lager Lechfeld und durch die TMZ von Memmingen schaffen wir die 100km Strecke nach Biberach in 30 Minuten. Wir sind incl. Start, Steigflug, Ab- und Anflug-Platzrunden und Landung nur 40 Minuten in der Luft. Nach 15 Minuten am Boden in Biberach sind wir um 14:40 wieder “airborne”. Die Zeit drängt weiter. Der Freiburger Flugplatz macht Corona-Kurzarbeit und schließt um 16 Uhr Ortszeit! Über der Höllentalkante verlassen wir die Frequenz von Zürich Information und Freiburg gibt uns einen Direktanflug auf die 34. Um 15:44h setzt die Breezer wieder in Freiburg auf und Kim hat den letzten Abschnitt seiner Ausbildung zum Ultraleicht-Piloten mit einer sehr guten Leistung abgeschlossen. Ich habe keinerlei Bedenken ihm Passagiere anzuvertrauen und unterschreibe das Prüfungsformular. Glückwunsch, Kim!
Jetzt heißt es für Kim oft zu fliegen, denn das Lernen hört nicht auf und Stillstand wäre Rückschritt.
Epilog: Zu Hause habe ich mich erstmal eine halbe Stunde in die heiße Badewanne gelegt, um wieder aufzutauen. Ein perfekter Platz, um die Erlebnisse eines wunderschönen Fluges, bei einem sehr außergewöhnlichen Wetter, in dieser extrem außergewöhnlichen (Corona-) Zeit, sacken zu lassen…